Behördendaten vs. Crowdsourcing-Daten, "Die Kathedrale und der Basar" und was das mit GeoCommons zu tun hat - Ein Essay
Ein 25 Jahre alter Aufsatz mit dem Titel "The Cathedral and the Bazaar" [1] stellt zwei Modelle der Softwareentwicklung gegenüber: Einerseits die zentralisierte und (abends) geschlossene Kathedrale, in welcher der Quellcode nur einer exklusiven Gruppe von Softwareentwicklern zur Verfügung steht, und 2. der dezentralisierte und offene Basar, der die Open-Source-Entwicklung fördert, in der der Code von jedermann eingesehen, verändert und weitergegeben werden kann. Eine zentrale These, die für das Basar-Modell spricht, lautet: "Given enough eyeballs, all bugs are shallow" ("Wenn es genug Augen gibt, kommen alle Bugs an die Oberfläche", sog. Mehraugenprinzip). Der wegweisende Aufsatz trug dazu bei, die Philosophie und die Praktiken der Open-Source-Entwicklung zu popularisieren, was grosse Unternehmen dazu ermutigte, Open-Source-Software zu unterstützen und zu übernehmen. Der berühmte Aufsatz ist auch heute noch relevant, da er als Inspiration für alle dient, die die Vorteile einer offenen Zusammenarbeit nutzen wollen.
Diese Analogie lässt sich auch auf zentralisierte Behördendaten (= Kathedrale) und dezentrale, von der Gemeinschaft getragene Crowdsourcing- oder Citizen Science-Initiativen wie Wikipedia oder OpenStreetMap anwenden. Diese etablierten Crowdsourcing-Projekte (= der Basar) basieren auf dem Prinzip der offenen Zusammenarbeit und der Beteiligung eines breiten Netzwerks von Freiwilligen. Dies ermöglicht vielfältigere und oft aktuellere Informationen, wenn auch in unterschiedlicher Vollständigkeit und Qualität. Diese Analogie verdeutlicht die Stärken und Schwächen beider Modelle: die Verlässlichkeit und Autorität zentralisierter Daten gegenüber der Innovationskraft und Aktualität kollaborativer, dezentral-heterogener Datensammlungen.
Seit einigen Jahren nähern sich die beiden Modelle allmählich an: Behörden suchen das Feedback der Nutzer. Und bei Crowdsourcing-Projekten werden zunehmend Werkzeuge der Qualitätssicherung (u.a. Qualitätsförderung und Validierung) und gezielte Erfassungsaktionen eingesetzt. Und beide arbeiten mehr und mehr zusammen, wie ich es mit dem Public-Private-Partnership-Projekt [2] vorgeschlagen habe. Manchmal gibt es auch wieder zentralistische Ideen, wie der Vorschlag eines bundeseigenen Georegisters ("Geo-X"). Und - ganz aktuell - gibt es die vielversprechende GeoCommons-Initiative, die genau den Partnerschaftsgedanken aufgreift, und zwar hoffentlich nicht so, dass die Crowdsourcing-Idee von OSM einfach kopiert wird, sondern eben: partnerschaftlich.
[1] Raymond, E. (1999). The Cathedral and the Bazaar. Knowledge, Technology & Policy, 12(3), 23-49. [
de.wikipedia.org/wiki/Die_Kathedrale_und_der_Basar]
[2] Studie "Public-OSM Partnership – OpenStreetMap-Daten für Behörden" (kurz "POP Studie") 2022 [
wiki.openstreetmap.org/wiki/DE:Public-OSM_Partnership]